Vergangenheit

Von Kandel bis Berlin – 150 Jahre Wahrzeichen für Frieden

Die Linde mit ihren herzförmigen Blättern, dem süßem Blütenduft und der ausladenden Krone, die eine besondere Anziehungskraft hat und ein Gefühl von Geborgenheit spendet, hat für den Menschen einen ganz besonderen Stellenwert und ist ein Symbol für Gerechtigkeit, Liebe, Frieden und Heimat. Sie wurden zu vielen besonderen Anlässen gepflanzt und sind bis heute lebende Denkmäler, wie die Einheitslinden, die Goethelinde oder in Kandel die Friedenslinde.


Gepflanzt wurde sie vor 150 Jahren, am 10. Mai 1871, an dem Tag, an dem der sehr blutige Krieg zwischen Deutschland und Frankreich von 1870 / 1871 beigelegt wurde. Den Schlachten fielen fast 190.000 Soldaten zum Opfer, mehr als 230.000 wurden verwundet. Besonders Kandel und die umliegenden Dörfer waren sehr stark betroffen, denn zu Beginn des Krieges stand die französische Armee praktisch direkt vor der Tür. Steinweiler war bis zur Schlacht von Weißenburg mit großen Truppenkontingenten der III. französischen Armee belegt.

So feierten die Kandler:innen ein großes Fest und setzten mit der Linde ein Zeichen für den Frieden. Der große, anmutige und starke Baum symbolisiert die große Dankbarkeit der damaligen Zeit. Kein Wunder, dass er am Plätzel gepflanzt wurde.

Das „Herz von Kandel“ liegt zentral, zwischen der Sankt Georgskirche und dem Rathaus und damit zwischen den religiösen und weltlichen Zentren. Er war der Ort, an dem Frucht- und Wochenmärkte abgehalten wurden und der zentrale Brunnen, die Wasserversorgung des Dorfkernes sicherstellte. Und natürlich bewohnten die wichtigen Persönlichkeiten die Gebäude rundherum: der Pfarrer, der Lehrer, der Chirurg, der Bader, der Anwalt, der Bürgermeister und der Glöckner.

Für die Linde ging es seit ihrem Pflanz-Tag turbulent her. Nur wenige Jahre währte nämlich der Frieden und bald brach der 1. Weltkrieg aus. Der Löwe am Plätzel erinnert noch heute an die gefallenen Soldaten der Stadt.


Noch vor dem Ausbruch des 2. Weltkriegs musste um das Bestehen der Linde gebangt werden. Der damalige „Ritter von Epp-Platz“ sollte zu einem Aufmarschplatz der SA ausgebaut werden. Bürgermeister Multer sah zwar vor, die Linde zu verschonen, aber ob der Baum diesen Umbau tatsächlich überstanden hätte, ist fraglich. Zum Umbau ist es aufgrund des Kriegsausbruchs jedenfalls niemals gekommen.
 
Auch die Linde wurde von der Zerstörung während des Krieges nicht verschont. 1944 und 45 wurde sie mehrfach von Granaten getroffen, konnte sich davon jedoch erholen.

Und so wurde ihr im Jahr 2000 schließlich noch Bekanntheit über die Grenzen von Kandel hinaus zuteil. Mitglieder des Deutschen Bundestages wurden eingeladen, Erde aus ihrem Wahlkreis in das umstrittene Kunstwerk „Der Bevölkerung“ von Hans Haacke einzubringen. Die im nördlichen Lichthof des Reichstagsgebäudes errichtete Arbeit besteht aus einem mit Kies und Erde gefülltem Trog, aus dem verschiedene Pflanzen sprießen und aus dessen Mitte in weißen Neonlichtbuchstaben die Schrift „DER BEVÖLKERUNG“ nach oben strahlen.

Die Pflanzen wachsen aus zufällig eingebrachten oder in den Erdbeiträgen enthaltenen Samen und somit auch der Wurzelerde der Kandler Friedenslinde, die der Bundestagsabgeordnete Heinz Schmidt für seinen Wahlkreis einbrachte.

Schwer geschwächt hat die Linde die Sanierung des Plätzels im Jahr 2001. Im Zuge der Erneuerung und Anhebung des Sitzplateaus, wurde das Wurzelwerk so stark beschnitten, dass sich der mächtige Baum davon niemals richtig erholen konnte. Zusätzlich zugesetzt hat ihm der Brand eines Marktstandes während des Weihnachtsmarktes im Jahr 2013.

Am Donnerstag, den 17.2.22 hatte die 151 Jahre alte Kandler Friedenslinde ihren letzten Tag. Die starken Windböen setzten dem kranken Baum so stark zu, dass es einen großen Riss im Stamm gab. Leider musste die Entscheidung getroffen werden, die Linde zu fällen.

Klar ist: Wenn wir jetzt anfangen uns darüber klar zu werden, was das Plätzel für uns leisten kann und wie es gestaltet werden soll, können wir sicher sein, dass sie den würdigen Ersatz bekommen wird, den sie verdient hat.