Medientipps

Eine freundliche Empfehlung der Stadtbücherei

Ausleihbar ab Freitag, den 08. Dezember 2023
Ausleihbar ab Freitag, den 24. November 2023
„Der letzte seiner Art“ von Sibylle Grimbert
1835: Der junge Zoologe Gus wird vom Naturhistorischen Museum in Lille nach Island geschickt, um die Fauna des Nordatlantik zu studieren. Dort wird er Zeuge eines Massakers an einer Kolonie von Riesenalken, einer pinguinähnlichen Vogelart. Gus kann einen der Vögel retten, ohne zu ahnen, dass er gerade das letzte Exemplar seiner Art geborgen hat. Er nennt ihn Prosp - und zwischen dem neugierigen Forscher und dem anfänglich misstrauischen Tier entsteht eine tiefe Freundschaft. Gus wird nach und nach klar, dass er womöglich etwas Einzigartiges und Unvorstellbares miterlebt: Das Aussterben einer Spezies. Was bedeutet es, ein Tier zu lieben, das es nie wieder geben wird? Gus entwickelt eine Obsession mit dem Schicksal seines gefiederten Freundes - eine Obsession, bei der alles andere auf der Strecke bleibt ...

Berührender, kluger und aufrüttelnder Roman über das Verhältnis zwischen Mensch und Tier, in Frankreich mit dem Goncourt des animaux ausgezeichnet.

 „Kontur eines Lebens“ von Jaap Robben
Die junge Floristin Frieda wächst in den Sechzigerjahren in einem streng katholischen Umfeld auf. Als sie an einem späten Winternachmittag einen zugefrorenen Fluss betritt, weiß sie nicht, dass sich gleich alles für sie verändern wird. Auf dem Eis trifft sie den verheirateten Otto. Sie erleben eine Liebe, die stürmisch beginnt und schicksalhaft endet: Frieda wird schwanger - ein Skandal in der Welt, in der sie sich bewegt. Und so darf sie ihrem heimlichen Kind nie Mutter sein. Jahrzehntelang behält sie die Erinnerungen an diese Episode ihres Lebens für sich. Doch die Trauer um das verlorene Kind bleibt, trotz der späteren Heirat, trotz des Sohns, den sie noch bekommt. Im Alter von einundachtzig Jahren ist Frieda plötzlich wieder allein. Der stille Kummer kehrt mit Wucht zurück. Erst da wagt sie, sich ihrer Geschichte zu stellen - und sie zu teilen.

Roman einer großen Liebe und ihres Scheiterns - und die Geschichte einer unglaublich starken Frau, die in den konservativen Sechzigerjahren darum kämpft, auf ihre Art zu leben.

„Sommerwasser“ von Sarah Moss
Der Regen trommelt auf den schottischen See, schluckt das Licht des langen Sommertages und lässt die Pfützen brodeln. Hinter den Fenstern der wenigen Ferienhütten bleibt kaum etwas zu tun, als die Nachbarn zu beobachten. Während die Stunden fast unmerklich vergehen, formen die Urlaubsgäste aus flüchtigen Eindrücken ihr Urteil. Über die Mutter, die bei Tagesanbruch in ein paar kostbare Stunden Einsamkeit flüchtet. Den Jungen, der den windgepeitschten See seinen nervtötenden Eltern vorzieht. Und vor allem über diese eine Familie mit dem komischen Nachnamen, die hier einfach nicht hingehört.

Mit Witz und Einfühlungsvermögen erzählt Sarah Moss von der menschlichen Fähigkeit zu Grausamkeit und Güte.


„Paradise Garden“ von Elena Fischer
Die 14-jährige Billie lebt mit ihrer Mutter Marika, Reinigungskraft am Tag und Kellnerin bei Nacht, auf engstem Raum am Stadtrand in einer Hochhaussiedlung neben der Autobahn. Am Monatsende reicht das Geld nur für Nudeln mit Ketchup, doch ihre Mutter Marika bringt mit Fantasie und einem großen Herzen Billies Welt zum Leuchten. Das liegt auch daran, dass Marika einfach in jeder noch so misslichen Lage einen guten Plan hat, eine gute Geschichte oder zumindest schöne Worte. Wenn die Nachbarin mit einem Veilchen auf der Matte steht, sagt Billies Mutter, ihr Freund habe ihr "Blumen mitgebracht". Das klingt schon weniger schrecklich. Dann reist unerwünscht die Großmutter aus Ungarn an, stört das gute einfache Leben mit Altlasten aus der Vergangenheit und die innige Mutter-Tochter Beziehung findet durch einen tragischen Unfall ein jähes Ende. Billie begibt sich allein auf die abenteuerliche Suche nach ihrem unbekannten Vater.

Die junge Autorin und Open mike Finalistin 2021 legt in ihrem Debüt eine Coming-of-Age Geschichte vor. Wie schnell ein Mensch durchs soziale Netz fallen kann, wird sprachlich leicht und ohne Klischees erzählt. Ein beeindruckendes Buch über die Kräfte, die ein Mensch entwickeln kann, wenn ihm Sicherheiten wegbrechen.

„Das leise Platzen unserer Träume“ von Eva Lohmann
Ein Haus auf dem Land hat sich Jule immer gewünscht. Dazu ein wilder Garten, durch den ihre Kinder rennen. So hat sie sich das Glück vorgestellt. Doch die Kinder sind nie gekommen. Und ihr Mann hat jetzt eine Affäre in der Stadt. Ihr Name ist Hellen, und im Gegensatz zu Jule weiß sie von der Anderen. Oft fragt Hellen sich, warum Jule und ihr Mann noch immer zusammen sind. Wie zwei Menschen es so lange miteinander aushalten können, wenn ihre gemeinsamen Träume doch längst geplatzt sind und die Beziehung in Gleichgültigkeit erstarrt ist, gescheitert auch an dem unerfüllten Kinderwunsch. Aber von alldem hat Jule keine Ahnung, sie weiß nicht von Hellen und nicht von ihren Fragen. Noch nicht.

Es ist keine bittere Abrechnung mit schmutziger Wäsche, sondern eine sehr einfühlsam erzählte Geschichte. Unausgesprochene Gefühle, gescheiterte Träume, aber auch Lebensfreude und der Blick nach vorne machen dieses Buch lesenswert. Der besondere Reiz liegt in den Gedanken, die Hellen an Jule formuliert, lange ehe sich die beiden Frauen begegnen.


„Die Erinnerungsfotografen“ von Sanaka Hiiragi
Japan 2018. Hirasakas Fotostudio ist ein Zwischenstopp, ein Grenzbereich zwischen Leben und Tod. Die Menschen, die er fotografiert, sind gerade erst verstorben und er soll ihren Schock darüber mildern. Bevor die Menschen ins Reich der Toten eintreten, dürfen sie sich aus jedem Jahr ihres Lebens ein Foto aussuchen und einen eindrücklichen Tag nochmal miterleben. Drei Menschen begleitet Hirasaka auf dem Weg dahin: eine Frau über 90, einen Kleinkriminellen und ein kleines Mädchen. Sie erzählen ihm ihre (teils tragische) Lebensgeschichte und teilen ihre Erinnerungen. Sie erkennen im Rückblick, dass jedes Leben Augenblicke des Glücks bereithält, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint, und können ihren Frieden schließen. Hirasaka selbst hat die Erinnerung an sein Leben verloren und hofft, irgendwann jemanden in seinem Fotostudio zu treffen, der ihn wiedererkennt.

Die Einzelschicksale sind zart miteinander verknüpft, die Zusammenhänge werden aber erst zum Schluss sichtbar. Der Roman erzählt von der Schönheit des Lebens im Auge des Betrachters und berührt von der ersten bis zur letzten Seite - komplett ohne Kitsch und Klischee.